Ziddelwandern - Wenn Ziddels Wandern

Die Frühjahrswanderung 2008
Ricos Bericht

von Rico
Der fast sichere Wanderpokalsieger der HW2008
Der fast sichere Wanderpokalsieger der HW2008
(f)Rico


Ein halbes Jahr war vergangen, die erste Ziddelwanderung nach der - die Messlatte erneut gen Himmel reckende - HW07 fand statt. Los gings wieder ausgesprochen zeitig an verschiedenen Dresdner S-Bahnhöfen. Mein diesmal völlig unhektisch stattfindendes Eintreffen am Bahnhof Neustadt erlaubte mir sogar noch, die eigene miserable Lebensmitteleinkaufspolitik durch spontane Zukäufe zu vertuschen.

Udo sass wie abgemacht (also wie abgesprochen, nicht wie entfernt) im ersten Wagen, allerdings etwas versteckt im Oberdeck. Vermutlich war das der erste von mehreren verzweifelten Versuchen, die Pokalübergabe kurzfristig platzen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war ich ja noch der Meinung, wir könnten eine Schnellauswertung inklusive Preisverleihung zügig hinter uns bringen, sodass ich vielleicht mit meinem Hauptpreis schon am Hauptbahnhof wieder in die Gegen-S-Bahn nach Hause steigen könnte, auf jeden Fall aber vor dem Halt Dresden-Reick…

Leider oder Gott sei Dank wurde daraus nichts. Udo liess sich bis zu Jensens Eintreffen keine Vorabinfos entlocken. Dann erreichten wir Dresden-Reick. Jens tat erst so, als sähe er uns nicht – möglicherweise waren wir ihm schon zu diesem Zeitpunkt peinlich. Dabei waren die Diskussionen über die Punktevergabe noch gar nicht losgegangen..

Und so verging die Fahrt bis Bad Schandau wie im Fluge mit Triumph (nach den ersten Rätseln führte ich noch), Bangen (die mittleren Rätsel sahen mich böse patzen) und Verzweiflung (Bekanntgabe des Gewinners, noch mal Glückwunsch an Jens!). Nach dem Ausstieg wurde auf dem von Udo sorgfältig vorher in Beton gegossenen Podest die Siegerehrung vorgenommen. Jens freute sich eine Absinthpraline in den Mund und auch ich war mit meinem Trostpreis sehr zufrieden, bekam ich doch meine erste Rolf-Böhm-Wanderkarte (hoffentlich nicht die letzte), rein zufällig vom heutigen Wandergebiet! Danke nochmals an Udo für die tollen Preise!

Es folgte eine top optimierte VVO-Busverbindung nach Hinterhermsdorf. Ich überspielte meine Gewaltfantasien mit pseudointeressierten Fragen nach Jensens beruflichem steilen Aufstieg. Wahrscheinlich überspielten die anderen ihre Verachtung für den Zweitplatzierten mit pseudofreundlichen Antworten. Aber das kennt man ja schon seit vielen, vielen Jahren nicht anders; ein Golph, wer Böses dabei denkt!

Hinterhermsdorfer Wegweisung
Hinterhermsdorfer Wegweisung
(f)Rico


Hinterhermsdorf erwies sich in der Tat als würdiger Preisträger des "schönsten Dorfs Sachsens" des Jahres 2000. Trotzdem wanderten wir schnurstracks aus dem Ort hinaus. Dabei nutzte ich die Gelegenheit, einer alten (nicht im Wortsinn!) guten Freundin zu einem runden Geburtstag zu gratulieren. Jens und Udo nutzten meine Abwesenheit zu ersten geheimen Absprachen und Komplotts (über ein Kompott hätte ich mich ja noch gefreut). So wurde mir nach meiner Rückkehr in die Gruppe kurz und bündig erklärt, der Sieger des HW08-Rätsels stünde schon fest. Ich wanderte trotzdem tapfer weiter mit (viele andere wären an dieser Stelle wohl spätestens umgekehrt) und so gelangten wir alsbald zum ersten (und fast schon einzigen) Ausblick der Wanderung: dem Taubenstein.

Udo machte den Namen zum Programm und war quasi taub auf beiden Ohren, als Jens und ich vorsichtig an die nötige ernährungstechnische Versorgung erinnerten (Stichwort: Knödel). Kein Bitten, Murren, Flehen, Knurren konnte ihn umstimmen – wir wandern durch bis morgen früh und singen bumsfallera mumpeln Schnitten!

Am Rastplatz Cerna Brana (Schwarzes Tor)
Am Rastplatz Cerna Brana (Schwarzes Tor)
(f)Rico


Unser nächstes Ziel war das Schwarze Tor (Cerna brana). Dabei handelt es sich um eine in gar dunklem Schluchtental gelegene Felsformation mit darunterliegendem Wassergraben. Udo und Jens bewältigten den Balanceakt über den vom Nationalparkranger ausgelegten Holzbalken am schnellsten, allerdings hielt sich keiner so schön an der moosigen Felswand fest wie ich.. Nur wenige Meter dahinter wurden wir für unsere Mühen mit dem schönsten Rastplatz belohnt, den ich seit mehreren Stunden gesehen hatte. Gar lieblich plätscherte die Kirnitzsch in der Sonne dahin, wir speisten auf den Resten einer ehemaligen Brücke und beobachteten Fisch im Flug und Schmetterling auf Tauchgang..äh..auf jeden Fall war es ein absolutes Highlight der Wanderung, dort zu pausieren.

Der fast sichere Wanderpokalsieger der HW2008
Ein lt. Roter Liste Kl.3 gefährdeter Trauermantel (aka Nymphalis antiopa) bei der kurzen Rast nach anstrengendem, unanständigem Balzflug am Schwarzes-Tor-Rastplatz.
(f)Rico


Nachdem wir murrend und die Fähigkeiten des Wanderorganisators anzweifelnd die kompletten 900m im eisekalten Schluchtenkeller des Cerna brana wieder zurückgelatscht waren, machten wir uns auf den Weg zur Jungferntanne. Der Sage nach versteckte sich dort eins eine holde Maid, um nicht geförstert, wohl aber geköhlert zu werd…ah, Anweisung von der Regie, diese Story ist mit den gleichen Gags schon in zwei anderen Wanderberichten aufgetaucht. Geschildert werden muss jedoch der Knaller des Tages, welcher sich an der ‚Panenska jedle’ abspielte. Während Jens gerade mal in Ruhe auf seinen vier Buchstaben sass und offenbar von einer frühlingshaften Inspiration ergriffen wurde, holte er mit salbungsvollen Worten dazu aus, die einmalige Ruhe und Friedlichkeit derjenigen Örtlichkeit zu preisen, deren Holzbank er gerade nutzte. Im selben Moment, als Jens den Satz "Ist das nicht eine herrliche Ruhe hier…" zuende gesprochen hatte, meldete sich sein Mobiltelefon mit dem von seiner Tochter aufgesprochenen, etwas schrill, auf jeden Fall aber aufrüttelnden Satz Ruf: "Papaaaaa! Geeh doch mal ans Telefoooon!", den er sinnigerweise mit der Handynummer seiner Lebensabschnittsgefährtin Gemahlin Freundin verknüpft hatte. Wie auch immer, Udo und meine Wenigkeit lachten uns scheckig, so dass ich fast von der öffentlichen Treppe gefallen wäre, die laut Jens über den Zaun des Försters ins Gehege der Jungferntanne führte..

Die Jungferntanne samt öffentlicher Treppe
Die Jungferntanne samt öffentlicher Treppe
(f)Rico


Die folgenden vier Kilometer wanderten wir zügig voran bzw. leicht bergab und schafften es sogar, uns einige Minuten ernsthaft über die grossen Probleme der Welt zu unterhalten. Erwartungsgemäss hielt das jedoch nicht lange an..was aber auch in Ordnung war, denn wir hatten Hinterdittersbach erreicht, einen nach dem 2. Weltkrieg wüst gefallenen Ort auf tschechischer Seite des ehemaligen Niemandslandes. Standen hier eins vier Gasthäuser, wären wir heute schon über eines froh gewesen. Aber Udo hatte seine gastronomische Drohung nicht umsonst ausgesprochen. Jedenfalls genossen wir diesen besonderen Ort, stellten uns die Lage und Position der ehemaligen Häuser vor.. und pfiffen diverse Absinthpralinen rein.

Rasten in Hinterdittersbach (Zadni Jetrichovice)
Rasten in Hinterdittersbach (Zadni Jetrichovice)
(f)Rico


Die Stärkung war auch angebracht, stand uns doch nun das läuferisch schwerste Stück des Tages bevor. Etwa 300 Höhenmeter bis zum Königplatz galt es auf relativ kurzer Strecke zu überwinden. Dazu kam noch die Wirkung von kürzlich durchgeführten Waldarbeiten, die die Wege in bessere Panzerstrassen verwandelt hatten. Trotz körperlicher Beschwerden einzelner Teilnehmer kamen wir gut voran und überholten sogar mit jugendlichem Elan diverse dickbeleibte Touristen, die auf den Anstieg noch weniger vorbereitet waren als wir.

Oben vom Königsplatz hatten wir dann einen grossartigen Rundblick über zahlreiche Gipfel und Gipfelchen der tschechischen und sächsischen Berglandschaft, so z.B. den kegeligen Rosenberg. Allerdings mischte sich in die panoramische Bewunderung bereits eiskaltes Kalkül, denn allen war klar – für einen – fraglos hochverdienten – Eisbecher mussten wir zügig zurück nach Hinterhermsdorf, um die top optimierten VVO-Busverbindungen in top gekühlte Eiskugeln mit Erdbeeren zu verwandeln. Also mobilisierten wir die letzten Kraftreserven und spurteten flott zur Buchenparkhalle Hinterhermsdorf. Diese war allerdings auf uns und unseren gigantischen Umsatz nicht vorbereitet und hatte geschlossen – aus kaufmännischer Sicht ein absolut unverständlicher Schachzug. Für uns bedeutete das Weiterlatschen bis zum Erbgericht, wo uns alsbald ein Busfahrer auf Schnarchpause erwartete. Nur eine halbe Stunde später fuhr er uns aber doch noch nach Königstein, wo wir bei der äusserst netten Bedienung der ‚Mokka Milch Eis Bar’ mit zweifelsohne osteuropäischer Verwandschaft zackig drei Eisbecher nebst Apfelschorle orderten und so den Tag goldig ausklingen liessen, bevor uns die S-Bahn wieder zuverlässig nach Dresden brachte. Eine wirklich sehr gelungene Wanderung bei erneut grossartigem Wetter.

Bis zur HW08 verabschiedet sich der dann fast sichere Pokalsieger
Rico.

Goldiger Tagesausklang mit Eisbecher
Goldiger Tagesausklang mit Eisbecher
(f)Rico