Ziddelwandern - Wenn Ziddels Wandern

Die Herbstwanderung 2007
vom Töpfer bis zur Orgel

von Rico
Hinweis: Bilder können zum Vergrößern angeklickt werden...

Die Ziddelwanderung im Herbst 2007 war etwas ganz Besonderes. Zum ersten Mal seit vielen Jahren kamen wir, unter federnder Führung von Rico, bei unseren Streifzügen aus der Sächsischen Schweiz heraus. Allein dafür würde ihm z.B. ein Orden gebühren, oder ein Pokal. Aber ungerecht, wie das Schicksal ist, bekam diesen der heurige Sieger des inzwischen fest etablierten und allseits beliebten Ziddel-Wanderrätsels. Dort gab es einen klaren Sieger, der trotz eifriger Schützenhilfe des Veranstalters für seinen Gegenspieler quasi von Beginn an keine Schwierigkeiten hatte, das Rätselgeschehen zu dominieren.

Grinse-Udo mit Trophäe
Grinse-Udo mit Trophäe
(f)Rico

Nachdem also auf der bereits kurz nach 7:30 beginnenden, stundenlangen, gefühlt jedoch wie im Fluge vergehenden Hinfahrt Rätsel aufgelöst, vor Stirnen geschlagen, Wertungen verlesen, Preise und Trostpreise verteilt wurden, die Mitreisenden irritiert und der Kundenbetreuer im Nahverkehr mittels Sachsen-Böhmen-Ticket glücklich gemacht wurde, nahte der erste Höhepunkt der Tour: Wir erreichten Zittau, die Grenzstadt zum gleichnamigen Gebirge, und stiegen bei schönstem Spätsommerwetter frohgemut in einen bereits wartenden Zug der Zittau-Oybin-Jonsdorfer Eisenbahngesellschaft ein. Dafür gültige Fahrscheine waren laut Auskunft im Zug selbst zu erwerben, doch wie gross war unsere Freude, als der Schaffner (vgl. "Kundenbetreuer im Nahverkehr") nach Ansicht unseres mördermässig völkerverbindenden Sachsen-Böhmen-Tickets nur einen bescheidenen "Historik-Beitrag" von 4€ pro Person einzog und uns dann uns selbst und unseren Kameras überliess.

Diese wurden schon auf der Hinfahrt reichlich eingesetzt. Nicht immer mit Sachverstand, doch dafür stets mit tom-sawyer-hafter Freude am Fotografieren, wie das toll gelungene Porträt des Wandereuros beweist.
Fahrtimpression
Fahrtimpression
(f)Jens
Der Wandereuro
Der Wandereuro
(f)Jens
Was hatte es mit dem Wandereuro auf sich? Ein Wandergeselle, den wir zufällig trafen? Ein fehlerhaft geschriebenes Wanderbüro vielleicht? Alles falsch. Er verhielt sich eher nach der Devise "Euro, Euro, Du musst wandern". Er wurde uns nämlich vom Schaffner als Wechselgeld überreicht und wanderte dann infolge eines an Ort und Stelle vorgenommenen Finanzausgleich untereinander durch die Hände eines jeden von uns, bis er sich – logisch – beim HWO, dem Herbstwanderungsorganisator, erstmal ausruhen musste und dafür bis auf weiteres in der Geldbörse verschwand. (Es gehen Gerüchte, er sei neulich wieder an frischer Luft gesehen worden.)

Unter all diesem Trubel war die fröhlich vor sich hindampfende Lok inzwischen am Ortsteil und Haltepunkt Oybin-Teufelsmühle angekommen und wir mussten raus. Das funktionierte überraschend ohne grössere Schwierigkeiten, niemand vergass seine Schnittenbüchse oder seine Jacke.

Sogleich wurde deutlich, was den Charakter der HW 07 ausmachen würde: Steigung. Schweiß. Anstrengung. Schmerzen. Erschöpfung. Über die folgenden Minuten kann ich leider nichts berichten, denn mein Körper zog beim Aufstieg zum Töpfer sämtliche Energien aus den Sinnesrezeptoren und dem Denkapparat ab. Einzig wirre Wortfetzen sind mir in Erinnerung und Jens, der justament bei 20% Steigung versuchte, eine aktuell-politische Diskussion zu etablieren. Noch mehr Schweiß und ein langsam versickerndes Gespräch waren seine gerechte Strafe.

Südausblick Töpfer Richtung Hochwald
Südausblick Töpfer Richtung Hochwald
(f)Udo

Nichtsdestotrotz war der Ausblick vom Töpfer eine wahre Pracht. Nachdem eine fröhliche Rentnertruppe das Okkupieren der einzigen Rast- und Verschnaufbank aufgegeben hatte, begann ein weiteres Highlight einer jeden Ziddelwanderung: Das Auspacken des mitgebrachten Freß-Berges. Ein grober und unvollständiger Erinnerungsversuch ergibt folgendes:
  • Schnittenpakete (Käse, Wurst, Aufstrich)
  • Gemüse (Tomaten, Radieschen..)
  • Obst (Bananen, Äpfel..)
  • Gekochte Eier (Jens hatte sogar alle Reserven geknackt und ZWEI!!! dabei)
  • Süssigkeiten (Hanuta, Schokolade etc.)

Satt und zufrieden wälzten wir uns kurze Zeit später von der Bank. Die Zeit ständig im Nacken, war an diesem Tag strenge Disziplin bei sämtlichen Aktivitäten gefragt, die möglicherweise zu lange dauern könnten (essen, umhersehen, laufen, Hallo zu Wanderern sagen). Vorerst gelang das, doch dann eine erste Gefahr für die Zeitplanung: Wir erreichten den Nordausblick des Töpfers mit wunderschönem Ausblick nach Zittau, ins Polnische und noch weit Richtung Norden.

Doch auch das schönste Wettknipsen hat einmal ein Ende und wir machten uns an den Abstieg Richtung Ort Oybin. Dabei gerieten wir angesichts eines beeindruckend hoch erscheinenden Hochwaldgipfels bei gleichzeitig stetig sinkender eigener Höhenlage ein wenig ins Zweifeln, ob uns diese Tour nicht zuviel abverlangen würde. Doch der HWO beruhigte die flatternden Geister seiner Schäfchen. So liefen wir bald frohgemut im Ort Oybin ein, wo wir neben zahlreicher, prächtig gelegener Ferienwohnungen zunächst den im Ortskern befindlichen Obelisken besuchten, welcher die Markierung der Feuersteinlinie darstellt.

Obelisk
Obelisk
(f)Udo
Ohne grössere Schwierigkeiten, den Weg zu finden, machten wir uns sogleich an den längsten und steilsten Anstieg des Tages, zum Hochwald nämlich. Nach einer kurz wirkenden Passage durch den Wald, bei welcher wir über den Ursprung merkwürdig gestauchter Sandsteinfelsen rätselten, erreichten wir bald eine ebenfalls steile Straße, welche nur noch wenige 100 m von der tschechischen Grenze entfernt liegt. Sogleich begann wieder das übliche Getöse, was zwei Mitglieder der ZDL-Wandertruppe stets befällt, sobald sie einmal mehr als 80cm Strecke auf Asphalt zurücklegen sollen. Doch der HWO ließ sich auf keine Diskussionen ein.

Kelchstein
Kelchstein
(f)Udo
Gestauchter Sandstein
Gestauchter Sandstein
(f)Udo
Nach kurzer Zeit bogen wir nach rechts auf einen auf dem Grenzkamm gelegenen Weg ein und hatten es gleich mit einer mördermässigen Steigung zu tun. Nun konnte Udo endlich sein neues GPS-Gerät fachmännisch einsetzen und berichtete alle 2 Schritte über den aktuellen Steigungsgrad nebst absoluter Höhe über dem Meeresspiegel. Verständlich, dass er dadurch alsbald völlig außer Puste geriet. Dankbar für soviel unerfragtes Wissen beschleunigte vor allem Jens seine Schritte mächtig, sodass er das Hochplateau des Hochwalds als erster erreichte. Bei der folgenden Turmbesteigung nach kurzer Pause in der Sonne schob sich Jens allerdings sofort wieder bescheiden in den Hintergrund. Dafür maßen sich Udo und Rico im "wer kann in kürzester Zeit die meisten Bilder knipsen"-Wettstreit.

Hochwaldaussicht
Hochwaldaussicht
(f)Rico

Im Folgenden bewältigten wir den Abstieg hinunter zum Dorf Hain und erreichten nach einer längeren, angenehmen Passage einfach nur geradeaus mit leichtem Gefälle die Außenbezirke / Vororte / suburbs des Kurortes Jonsdorf. Dort kalkulierten wir kurz, aber messerscharf unser verbleibendes Zeitbudget durch und starteten dann sogleich mit der Umrundung der Jonsdorfer Felsenstadt. Die vom HWO mit Bedacht in die Tour aufgenommene Schleife sollte uns einen ganzen Batzen an geologischem bzw. naturkundlichem Wissen vermitteln. Zunächst wurden wir mit der erstaunlichen Felsformation der "Drei Tische" konfrontiert, an denen wir uns nur zu gern mit einem kühlen Bier niedergelassen hätten. Doch zum einen war kein Bier vorhanden, nicht mal mehr sonstige Getränke und zum anderen befindet sich das Tischlein-Deck-Dich-Arrangement in unerreichbaren Höhen, die wir ohne Kletterseil und Testamentsabschluß nicht so einfach erreichen konnten.

Drei Tische
Drei Tische
(f)Jens

So ging es weiter zum Carolafelsen. Es folgte nun Sehenswürdigkeit auf Sehenswürdigkeit, was unser Zeitpolster bis zum letzten Bus mehr und mehr schwinden ließ. Doch den Carolafelsen ließen wir uns nicht nehmen. Ein fantastischer Rundblick belohnte uns für die Mühen des Aufstiegs. Mit Staunen betrachteten wir den knapp 4km Luftlinie entfernten Hochwaldturm, den wir doch erst kurz zuvor verlassen hatten. Schlappe 25km dahinter lockte ein tschechischer Vulkankegel zur FW 09...

Gruppenbild Carolafelsen
Gruppenbild Carolafelsen
(f)Rico

In der Jonsdorfer Felsenstadt dreht sich fast alles um den Abbau von Mühlsteinen. Der Kontakt des lokalen Sandsteins mit vulkanischer Magma führte zur sogenannten "Frittung" des Sandsteins, was aber nichts mit amerikanischen Schnellrestaurants zu tun hat, sondern eine massive Verhärtung des Sediments zur Folge hat. So kamen wir z.B. an der Steinbruchschmiede vorbei, wo die dafür benötigten Werkzeuge hergestellt und gelagert wurden. Ein Schild an ihren Mauern fasst in wenigen Zeilen über 150 Jahre und diverse Staatsformen zusammen: "erbaut 1825 – zerstört 1945 – aufgebaut 1951 – renoviert 1980".

Kurz darauf kam es zu einem weiteren Höhepunkt der damit eigentlich völlig übervollen Wanderung: Wir fanden einen Geocache. Diese noch in ihren Anfängen befindliche Bewegung ("geocaching"), bei der an schönen oder besonderen Stellen in der Natur kleine Behältnisse mit Kleinigkeiten und stets einem Notizbuch versteckt werden, welche dann über im Internet hinterlegte (teils verschlüsselte) geographische Koordinaten gefunden werden können, hatte Udo ins Ziddelwandern eingebracht und damit schlagartig große Erfolge erzielt. Zunächst hatte er noch mit unauffälligen Bemerkungen ("irgendwo hier soll es einen Geocache geben") die Wandergruppe ans Thema herangeführt, um dann am ehemaligen Pulverhaus die Sache zu forcieren: "Also nur 66m links von hier muss er sein!". Natürlich hatten alle längst Blut geleckt und folgten Udo ins Gebüsch, wo wir gemeinsam in einer löchrigen Mauer tatsächlich ein kleines, verstecktes Kästchen enttarnten und uns wie die Schatzsucher einen Wolf freuten. Einen Eintrag ins Logbuch des Cache konnten wir uns natürlich nicht verkneifen.

Geocache
Der Geocache 'Mühlsteinbrüche'
Vielen Dank fürs Verstecken an die Berggemsen! (f)Udo

Nach wenigen Minuten erreichten wir dann die Orgel, eins der bekanntesten geologischen Denkmale im Zittauer Gebirge. Hier führte der Kontakt des frisch aus dem Erdinneren aufgestiegenen Phonoliths, des "sauren Auswurfes" eines Vulkans, zur Frittung des Sandsteins. Durch Schrumpfungsrisse bildet der Sandstein dann die sonst nur vom Basalt bekannte Säulenform aus.

Die Orgel
Die Orgel in den Mühlsteinbrüchen
(f)Rico

Da wir inzwischen doch deutlich mehr Zeit als geplant verbraucht hatten und überdies Vorräte und Flüssignahrung ziemlich zur Neige gingen, beschlossen wir eine kleine Abkürzung der Runde um die Jonsdorfer Felsenstadt. Gesagt, getan. Außerdem passierten wir so noch ein Hinweisschild zur letzten Rätselfrage, auf der die allseits bekannte Hoooorstschutzzone für kleine Greifvögelbabies erläutert wurde.

Nach dem Abstieg in den Kurort Jonsdorf bescherten wir uns dann selber eine Belohnung, die ihresgleichen sucht: Mit mattem Kopf und platten Füßen kehrten wir ins Kurcafe Balzer ein, wo wir bald selig mit Kaltgetränk und Eisbecher in der Sonne saßen.

Im Eiscafe
Jens, Udo und Rico im Eiscafe
(f)Jens&Rico&Udo

Leider hat auch der schönste Spätsommertag ein astronomisches Ende, sprich es wird dunkel und kühl. Um dem vorzubeugen, bequemten wir uns dann doch zur Bushaltestelle. Udo wäre auf dem Weg dahin gern noch auf einen Abstecher in den Jonsdorfer Kurpark abgebogen ("dort muss noch irgendwo ein Cache liegen"). Von Jonsdorf kehrten wir mit einer optimierten Regionalbus-Verbindung, auf der einige Teilnehmer bereits fast vom Schlaf überwältigt wurden, zum Bahnhof Zittau zurück. Der Zug stand schon bereit und nachdem auf der knapp zweistündigen Rückfahrt die restlichen Vorräte vertilgt wurden, endete gegen 20:30 am Dresdner Bahnhof Neustadt auch der schönste Wandertag einmal.

Bis zum nächsten Mal "Frisch auf"!